25. Mai – 14. Juli 2024
Kölnischer Kunstverein


Presserundgang
Freitag, 24.5.2024, 11 Uhr

Eröffnung
Freitag, 24.5.2024, 18 Uhr

Kreisch! Chris Korda is in the house. Ungeheuerlich, unerträglich, unfassbar gut. Korda wurde 1992 von einem seltsamen Traum heimgesucht, in dem eine außerirdische Intelligenz namens „Das Wesen“ behauptete, in einer anderen Dimension für die Menschen zu sprechen. Es warnte vor dem Zusammenbruch des Ökosystems unseres Planeten. Als Korda aus dem Traum erwachte, sagte sie: „Save the Planet – Kill Yourself“.

Kordas Mission gründet auf der Überzeugung, dass der Mensch, ein egozentrischer Zerstörer, in seine Grenzen gewiesen werden muss. „Danke, dass sie sich nicht fortpflanzen“, lautet die an den guten Willen appellierende Empfehlung. Meine DNA reiche ich nicht weiter, ich steige aus dem Genpool aus. Schluss mit anthropozentrischer Hybris. Wer aus freien Stücken aus dem Leben scheiden möchte, soll das tun dürfen – und leistet nebenbei einen sinnvollen Beitrag. Die Möglichkeit der Abtreibung ist ein Segen. Sex ist wunderbar, solange er nicht der Reproduktion dient. Wer unbedingt Fleisch essen will, nur das der eigenen Gattung – man tötet keine anderen Lebewesen. Die Empfehlungen der 1992 in Boston von Reverend Chris Korda gemeinsam mit Pastor Kim gegründeten Kirche, der Church of Euthanasia, lassen vielen die Haare zu Berge stehen. Allein der Name der Glaubensbewegung führt zur Verkrampfung der Gesichtszüge. Die Empfehlungen zur Dezimierung der Art Homo Sapiens sind extrem, teilweise widersprüchlich und streitbar.

Schönreden muss man den Namen der Kirche nicht, aber im Hintergrund haben, dass die CoE auf Freiwilligkeit, einem anti-autoritären Ethos beruht.

Die CoE rief Korda ins Leben, da eine Kirche, anders als eine politische Partei, in der Lage ist, ethische Normen neu zu gestalten. Einige ihrer Taktiken sind verwandt mit denen der Situationisten und der Dadaisten: Auch Kordas Aktionen treten in offene Situationen, Strategien werden immer wieder überraschend geändert; die Zungen, in denen sie spricht, sind unversöhnlich und Widersprüche zugelassen. Gleichzeitig bleibt ihr provozierendes Tun immer spielerisch.

Was Chris Korda bereits Anfang der 1990er propagierte, weil sie die irreversiblen Entwicklungen menschlicher Umweltzerstörung erkannte, war ihrer Zeit voraus: vegan zu leben, die Grenzen des Wachstums zu respektieren und die Vielfältigkeit aller Arten zu proklamieren.

Korda ist aber nicht nur Reverend. Sie ist vieles und in erster Linie aktiv als Musikerin. Sie gilt als eine der eigensinnigsten und schroffsten Positionen des Techno. In Europa erlangte sie Ende der 1990er Jahre erstmals Präsenz durch DJ Hell aus München mit seinem Label International Gigolo Records.

Als Musikerin tritt sie gegen Monokultur und Standardisierung ein und ist immer auf der Suche nach Komplexität. Korda experimentiert mit polymetrischen Taktarten (unterschiedliche Taktarten in einem Stück, ohne Angleichung der jeweiligen Dauer der Takte) und ungewöhnlichen Harmonien. Dass sie Ende der 1970er Jahre als Jazzgitarristin begonnen und Musiktheorie studiert hat, beeinflusst ihre Musik.

1980 begann Korda Software zu programmieren, erst Grafikkarten, später Musiksoftware, die sie von Anfang an umsonst zur Verfügung stellte. Seit jeher erfindet sie Werkzeuge, um künstlerische und musikalische Praktiken zu entwickeln. Aus diesem Grund bezeichnet sich Korda auch als „Inventor-Artist“, Erfinder-Künstlerin. In erster Linie bin ich eine Technologin, sagt sie von sich selbst. Als solche verbindet sie Musik wie auch ihre digitalen Bilder mit Existentialismus und einem wissenschaftlichen Pragmatismus. Wie für Musik, baut sie auch für ihre Kunst Maschinen und kooperiert mit ihnen, um nicht zuletzt ästhetische Probleme zu lösen. Musik und digitale Bilder, wie auch ihre synästhetischen Arbeiten, entstehen seit einiger Zeit auch in sich ergänzender Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz. Diese bringt Präzision und Geschwindigkeit, Korda die Intuition, Bewusstsein und lustvolles Spiel.

Artist’s Con(tra)ception, ein Wortspiel aus künstlerischem Konzept und künstlerischer Empfängnisverhütung, ist die erste institutionelle Ausstellung in Deutschland zu Chris Kordas ungewöhnlichem Schaffen. In ihr werden neue oder bislang ungezeigte digitale Bilder und audiovisuelle Arbeiten entlang einer Auswahl von Bannern, Fotografien, Zeichnungen und auch Platten der letzten dreißig Jahre zusammengebracht.
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Kuratiert von Valérie Knoll.

Bildnachweis: Chris Korda, Baby Mandala, 2020


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