4. Mai bis 21. September 2025
Kunstmuseen Krefeld


Auf Einladung der Kunstmuseen Krefeld hat der international renommierte Künstler Gregor Schneider speziell für Haus Esters ein neues, auf den Ort bezogenes Projekt realisiert. Mit der Arbeit Haus Alhmam Aldaas thematisiert er die Villa, die in den 1920er Jahren von Ludwig Mies van der Rohe gebaut wurde, als Architektur der Modeme, Lebensraum wie auch als musealen Ausstellungsraum. Schneider hat dafür das Museum temporär zum Zuhause einer Familie aus Syrien gemacht. Das Haus erfüllte wieder seine ursprüngliche Aufgabe und diente als privater Lebensraum. Die Ausstellung We/come spiegelt diese Transformation mit all ihren Besonderheiten und zielt zugleich auf einen humanitären, viel diskutierten Kontext: das Thema Flucht und Migration in Europa.

Gregor Schneider hat eine syrische Familie eingeladen, das Museum für eine gewisse Zeit zu bewohnen. Der Mann war 2015 vor dem Krieg geflohen, seine Frau folgte ihm später. Ihre beiden Kinder wurden in Deutschland geboren. Nach ihren Bedürfnissen und ästhetischen Vorstellungen hat sich die Familie im Erdgeschoss von Haus Esters eingerichtet und die Räume angepasst. Die Zimmer und der Garten waren erfüllt von Leben, von den Stimmen der Kinder, dem Geruch nach Essen und den täglichen Verrichtungen der Bewohner:innen. Haus Esters als Museum war in dieser Zeit für die Öffentlichkeit nichtzugänglich. Nach einiger Zeit zog die Familie wieder aus. Mit ihr verschwanden Möbel, Gegenstände, Stimmen. Was bleibt, sind Tapeten, Vorhänge, kleine Spuren – und eine leere, die Fragen aufwirft.

Wo ist die Familie jetzt? Was geschieht mit einem Haus, das nicht mehr bewohnt, sondern wieder museali­ siert wird? Gregor Schneiders Arbeit geht an die Grenzen der Institution Museum. Sie hinterfragt deren Funktion, ihre vermeintliche Neutralität – und spiegelt zugleich den politischen Umgang mit Migration in Deutschland. Die Ausstellung Welcome ist keine bloße Einladung, sondern ein vielschichtiger Kommentar zu Realitäten, die oft ausgeblendet werden.

Was geschieht mit einem Museum wie Haus Esters, wenn es von Menschen mit anderem kulturellen Hinter­ grund bewohnt wird? Welchen ästhetischen Einfluss haben die neuen Bewohner:innen auf die Räume – und umgekehrt: Wie formen die bestehenden Räume deren Leben? Mit Welcome untersucht Gregor Schneider die enge Verwobenheit von Kunst und Alltagswirklichkeit- und deren Konsequenzen. Das Haus als Heimat und Schutzart steht ebenso auf dem Prüfstand wie das Museum als öffentlicher Raum. Die spür­ bare leere der Räume, die Abwesenheit, erzeugt eine neue Offenheit – eine fragile, ungewisse Situation, die sich einer einfachen Lesart entzieht.

Räume und Häuser sind in Gregor Schneiders Werk zentrales Material und bedeutungstragende Metapher. Kuratorin Sylvia Martin betont: ,,Schneiders künstlerische Entwicklung ist eng mit den Häusern in Krefeld verbunden“. Bereits 1994 hatte Schneider seine erste Museumsausstellung im Haus Lange. Durch den Austausch eines Wandstücks verband er sein Haus ur auf subtile Weise mit der Architektur des Hauses – ein kaum wahrnehmbarer Eingriff. Im Jahr 2000 ließ Schneider sein Alter Ego, Hannelore Reuen – die fiktive Bewohnerin des Haus u r – in das Gartenhaus von Haus Esters einziehen (Der Nachname Reuen geht auf seine Großmutter mütterlicherseitszurück). 2005 erklärte er schließlich einen nachgebauten Raum von Haus Esters zu seinem persönlichen „Sterberaum“.

Mit der Rückkehr ins Haus Esters im Mai 2025 bringt Schneider seine langjährige Auseinandersetzung mit Architektur, Biografie und gesellschaftlichen Fragestellungen auf eine neue Ebene: Die Familie Alhmam Aldaas, der er seit sechs Jahren eine Wohnung in Mönchengladbach vermietet, wird für kurze Zeit Teil seines Werks – nicht als Modell, sondern als reale Nachbarn, als Menschen mit Geschichte und Gegenwart. Ku­ratorin Sylvia Martin betont: ,,Schneider überführt damit das, was ihn in seinem direkten Umfeld bewegt, in den künstlerischen und musealen Kontext – und konfrontiert das Museum mit einer Realität, die sich jenseits seiner gewohnten Grenzen entfaltet.“

Gregor Schneider (geb. 1969 Rheydt, jetzt Mönchengladbach) zählt zu den renommiertesten Künstlern der Gegenwart, sein Werk ist international in Ausstellungen und Sammlungen präsent. Sein bekanntestes Werk ist Haus ur in Mönchengladbach-Rheydt. Seit 1985 baut er in diesem Haus akribisch Räume in bestehende Räume hinein. Über Jahrzehnte entwickelte Schneider mit seiner gelagerten Sammlung an Räumen eine eigene Enzyklopädie der Räume. Sein Totes Haus ur wurde auf der Biennale in Venedig 2001 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. 2023 erhielt er den Ernst-Franz-Vogelmann-Preis für seinen Beitrag zur jüngeren Skulpturengeschichte und für sein Lebenswerk. Seit 2016 lehrt er als Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf.

HLHE Dialog: Der besondere Ort
Seit 2017 fördern die Kunstmuseen Krefeld mit der Reihe HLHE Dialog in den benachbarten Villen Mies van der Rohes die Gegenüberstellung von historischen und jüngeren beziehungsweise zeitgenössischen  Positionen in Kunst, Design und Architektur, die das Erbe der Moderne immer wieder neu reflektieren. Der aktuelle Dialog steht unter dem Leitgedanken Der besondere Ort. Die neue ortsbezogene Ausstellung Gregor Schneider. Welcome bildet das Pendant zur Ausstellung Teilweise möbliert, exzellente Aussicht, die sich im Haus Lange der Historie ortsspezifischer Kunst widmet.

Bildnachweis: Gregor Schneider, Haus Alhmam Aldaas, Haus Esters Krefeld 2025 © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Photo: G. Schneider


Kaiser Wilhelm Museum
Joseph-Beuys-Platz 1
47798 Krefeld

Haus Lange Haus Esters
Wilhelmshofallee 91–97
47800 Krefeld

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