5. Juli bis 20. Oktober 2024
Kunsthalle Mainz


Presserundgang: Do 04/07, 11 Uhr
Ausstellungseröffnung: Do 04/07, 19 Uhr

Ari Benjamin Meyers:

Es zeichnet Ari Benjamin Meyers (*1972, New York) aus, dass er gleichermaßen in der internationalen Welt der Musik wie der Bildenden Kunst zu Hause ist. Als Komponist arbeitete er mit führenden Ensembles wie dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder dem Hong Kong New Music Ensemble; seine Musik war u.a. in der Volksbühne Berlin, dem Residenztheater München, der Salzburger Festspiele oder der Pariser Oper zu hören. Als Bildender Künstler bespielte er national und international renommierte Ausstellungshäuser wie die Bundeskunsthalle, das MUDAM Luxembourg oder das oder das Kunstinstituut Melly in Rotterdam, sowie die Venedig-Biennale und die documenta.

Allgemeine Werkidee:

Die Arbeiten von Ari Benjamin Meyers entstammen seinem langjährigen Interesse daran, die Grenzen zwischen Bildender Kunst und Musik zu verschieben. Hierfür denkt er die Produktions-, Aufführungs- und Rezeptionsgewohnheiten der zeitgenössischen Musik neu: Komponieren, Proben, Musizieren bewegen sich aus Orchestergräben und Konzertbühnen heraus, hin zu anderen Orten, wie Ausstellungshäusern oder den öffentlichen Raum. An die Stelle von Perfektion, Meisterschaft, Einmaligkeit treten bei ihm der offene Prozess und das Auflösen von Hierarchien zugunsten gemeinschaftlicher, gleichberechtigter Momente des Austauschs, des Lernens, der Vielstimmigkeit und der Wiederholung.

Der Begriff „Komposition“ umfasst für Ari Benjamin Meyers nicht nur alle Formen der Anordnung von Klang, sondern ebenso das Arbeiten mit performativen, installativen und künstlerischen Elementen an sich – zugänglich für Musikerinnen wie Nicht-Musikerinnen. Komposition bringt künstlerisch-performative, theoretische und gesellschaftspolitische Produktionsweisen zusammen, er-forscht Formen und Fragen, die vor dem Hintergrund unserer sich rasant verändernden komplexen Gegenwart aktualisiert werden müssen. Meyers formulierte es einmal so: „Es geht mir um das Komponieren, Proben, Scoring und Performen eines Moments, einer Situation, sozialer Beziehungen, eines Kontextes, eines Körpers, von Körpern. Realität komponieren, Raum komponieren, sich selbst komponieren.“
Der Probe kommt hierbei eine besondere Rolle zu: Die Probe misst dem Unfertigen Relevanz zu. Sie steht für die Idee, nie abzuschließen im Leben. Damit bildet sie einen existentiellen Freiraum, um das Vor-uns-Liegende durchzuspielen und den unermesslichen Lichtblick, dass es keine end-gültige Aufführung gibt. Sie ist ein Instrument, mit dem Beziehungen, sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Mensch und Welt, erlebt, untersucht und gestaltet werden. Dadurch wird sie zu einer Gemeinschaft stiftenden, gegenwarts- und zukunftsformenden Kraft.

Always Rehearsing – Kunsthalle Mainz

In Always Rehearsing führt Ari Benjamin Meyers dieses „Proben“ für die Gegenwart und die Zukunft fort. Seine Ausstellung in der Kunsthalle Mainz bringt multi-mediale Arbeiten verschiedener Werkphasen zusammen und gibt einen Überblick über Meyers gesamtes bisheriges Schaffen als Künstler. Die in Mainz gezeigten Werke „verkörpern“ sein Verständnis von Musik, indem es sich in Objektform darstellt. Sie untersuchen darüber hinaus auf in-time Weise Meyers erweiterten und aktiven Begriff des Probens. Intim, weil die Besuchenden der Kunsthalle – die erstmals einen Überblick über Meyers vielseitigen Werkkomplex gibt – hier Teil seines Schaffens werden können, indem sie Kunstwerke selbst aktivieren, also mitgestalten.
Speziell für Always Rehearsing entstehen Neuproduktionen sowie neue Versionen und Neuaufführungen bereits existierender Werke. So nehmen die Arbeiten auch formal die Idee des endlosen Probens auf. Die Ausstellung umfasst Auftritte von professionellen internationalen Performerinnen sowie kontinuierliche Aktivierungen einzelner Werke durch Mitarbeitende und Besuchende der Kunsthalle Mainz. Das endlose Proben bildet auch hier das praktisch, visuell und auditiv tragende Motiv. Die Ausstellung probt gewissermaßen selbst, was eine Ausstellung sein kann: eine Kombination aus Objekten, Besuchenden und Interpretierenden. Die Rezipierenden verwischen die Grenzen zwischen diesen festgelegten Kategorien, wechseln die Rolle von der Rezeption in die Aktion und zur Kreation. Was bedeutet „endloses Proben“ und wie wirkt es sich auf uns aus? Dies sind Fragen, die durch die Ausstellung − die zu sehen, zu singen, zu spielen und zu hören ist − begleiten und an deren Beantwortung die Besucherinnen eingeladen sind aktiv mitzuwirken.

Heavy Metal und die Schott Music Group

Heavy Metal ist ein neues Werk, das Ari Benjamin Meyers in Zusammenarbeit mit der Schott Mu-sic Group speziell für seine Ausstellung in der Kunsthalle Mainz schafft. Der Musik- und Musikbuchverlag ist einer der ältesten noch bestehenden Musikverlage überhaupt und seit seiner Gründung im Jahr 1770 in Mainz ansässig. In dieser Zusammenarbeit bringt Meyers seinen offenen, performativen und transdisziplinären Kompositionsbegriff mit der Geschichte und vor allem der materiellen, handwerklichen Tradition, die dem Schreiben von Musik zugrunde liegt, zusammen.
Das Werk besteht aus neuen Kompositionsskizzen, die Meyers direkt auf noch unbenutzte bleierne Druckplatten überträgt. Er verwendet dabei historische Techniken und Originalwerkzeuge aus dem Archiv von Schott Music. Mit weiteren Metallgravurplatten aus dem Archiv, die einst zum Druck verwendet wurden, schafft er eine großflächige Bodenarbeit.
Gravieren und Drucken von Noten stellen normalerweise die letzten Schritte des Komponierens dar. Sie bilden den Schlussstein in der Brücke zwischen dem Geist der komponierenden und der musizierenden Person, die das Werk interpretieren wird. Bei Heavy Metal dreht Ari Benjamin Meyers den Prozess um: Die physischen Akte des Gravierens und Druckens, einschließlich der dabei verwendeten Werkzeuge, dienen als Grundlage und Rahmen für die Komposition.

The Notional Anthem Nr. 1: Der Zollhafen Chor

Mit dem neuen Werk The Notional Anthem, Nr. 1: Der Zollhafen Chor verlässt die Ausstellung ihre Räumlichkeiten in der Kunsthalle.
Zusammenkommen sollen hier die Bewohnerinnen, die Nutzerinnen, die Angestellten des Zollhafens, unter ihnen auch Mitarbeitende oder Besuchende der Kunsthalle Mainz. Die Komposition ist offen für alle, unabhängig von den individuellen musikalischen Fähigkeiten. Die „Instrumentierung“ wird von den Teilnehmenden selbst vorgegeben; sie wird zu einer Art Porträt oder Landkarte des Gebiets.
Durch die neue Komposition The Notional Anthem Nr. 1: Der Zollhafen Chor, die Ari Benjamin Meyers speziell für und mit diesem besonderen Ensemble schafft, und durch Proben, die über die gesamte Laufzeit der Ausstellung in und außerhalb der Kunsthalle Mainz stattfinden werden, entsteht eine neue Gemeinschaft von Menschen, die nicht auf politischen, religiösen oder sonstigen Überzeugungen basiert. „Notional“ bedeutet im Englischen etwas, das nur als Idee existiert und nicht greifbar ist. So verbindet The Notional Anthem („die fiktive Hymne“) Nr. 1: Der Zollhafen Chor im Gegensatz zur Nationalhymne von Staaten unterschiedliche Menschen und Orte der Stadt mittels eines Musikstückes. Es schafft und fördert Gemeinschaft. In einer Zeit, in der die Idee von Grenzen und Staatszugehörigkeit hochgradig aufgeladen und politisiert ist, geht es in The Notional Anthem Nr. 1: Der Zollhafen Chor um eine andere Art des Zusammenkommens, des Zusammenseins und der Zusammengehörigkeit.

Bildnachweis: Ari Benjamin Meyers, Forecast Films, 2021, Filmstill. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul


Kunsthalle Mainz
Am Zollhafen 3-5
55118 Mainz
06131/126936
www.kunsthalle-mainz.de

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