23. November 2024 bis 11. Mai 2025
Kunsthalle Emden


Emden. Vom 23. November 2024 bis 11. Mai 2025 präsentiert die Kunsthalle Emden die international renommierte Künstlerin Leiko Ikemura. Die Schau vereint 75 Arbeiten, die einen Querschnitt ihres vielseitigen Schaffens bieten – von Malerei und Grafik über Fotografie und Video bis hin zur Skulptur. Die Werke spannen einen Bogen von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart. Diese Ausstellung versteht sich weniger als klassische Retrospektive, sondern vielmehr als eine Sinfonie von Ikemuras Themen und Motiven, inszeniert in einer Ausstellungsarchitektur des renommierten Architekten Philipp von Matt, Ikemuras Ehemann. Die japanisch-schweizerische Künstlerin Leiko Ikemura hat seit den Achtzigerjahren ein unverwechselbares Œuvre geschaffen. Während ihre frühen Werke von radikalem Ausdruck geprägt waren, widmete sie sich später eine zartere, poetische Bildsprache. Sie eröffnet den Betrachtenden einen faszinierenden Kosmos, bestehend aus Pflanzen, Tieren, Landschaften und Darstellungen des menschlichen Antlitzes. Ikemura verbindet asiatische und europäische Kunsttraditionen und schafft eine einzigartige Bildwelt. Klassische europäische Themen wie Landschaften, Porträts und Stillleben treffen auf japanische Bildprinzipien in Form von Andeutung, Unvollständigkeit und Asymmetrie. Zwitterwesen und Kreatürliches verweisen der japanischen Märchen- und Sagenwelt und lassen Unsichtbares sichtbar werden. Mit Floating Spheres wird Ikemuras außergewöhnliches Schaffen in einer Ausstellung erlebbar, die die Grenzen zwischen den Künsten überschreitet und neue Perspektiven auf Raum, Form und Licht eröffnet.

Katalogbeiträge

Vorwort aus dem Katalog Leiko Ikemura (Auszug)

Lisa Felicitas Mattheis, wiss. Direktorin der Kunsthalle Emden

Leiko Ikemura mit dem Terminus einer »Zeichnerin«, »Malerin« oder »Bildhauerin« zu belegen, kann niemals in Gänze dem Schaffen der japanisch-schweizerischen Künstlerin gerecht werden. Ihre Arbeiten auf Papier, ihre Gemälde, Plastiken, Fotografien, Videos und nicht zuletzt ihre schriftlichen Äußerungen in Form von Gedichten und Haikus müssen gesamtheitlich – und zwar als Sinfonie – begriffen werden. Die Künstlerin vermag es, aus den einzelnen Gattungen immer das für das jeweilige Medium Spezifische zum Vorschein zu bringen.[…] Wenngleich die einzelnen Gattungen für sich stehen, kommt doch erst im Gesamtklang der Genres das Fantastische und Einzigartige zum Vorschein, das Leiko Ikemuras Kunst ausmacht. In ihre Bildwelten einzutauchen, kommt einem Traumwandel gleich. Hier begegnet man beseelten Gebirgen, Zwitterwesen und immer wieder rätselhaften Mädchenfiguren – ein wiederkehrendes Bildrepertoire, das sich bereits früh entwickelt hat. Seitdem tauchen diese Motive immer wieder modulartig auf, werden weitergeführt und variiert.  

Seit den Achtzigerjahren hat Leiko Ikemura, in Tsu, einer Stadt der Präfektur Mie in Japan, geboren, ein unverwechselbares Œuvre hervorgebracht. Sie studiert anfangs Literatur in Japan und Spanien. Von 1973 bis 1978 absolviert sie ein Kunststudium in Sevilla. Nach Abschluss des Studiums lebt sie zunächst in der Schweiz und zieht 1984 nach Deutschland, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Nach einer frühen Phase der radikalen Bildsprache, in der sie immer wieder in die Nähe der Neuen Wilden gerückt wurde, hat sich die Künstlerin sukzessive einer zarteren, poetischeren Formulierung gewidmet. In Ikemuras Werken verschmelzen die Traditionslinien asiatischer und europäischer Kunstgeschichte miteinander. Klassische europäische Sujets wie Landschaft und Porträt treffen auf japanische Bildtradition in Form von Andeutungen, Unvollständigkeit und Asymmetrie. Die vielen Zwitterwesen und Kreatürliches verweisen auf die japanische Märchen- und Sagenwelt und lassen Unsichtbares sichtbar werden. Auf die Frage, welches Buch man lesen müsse, um sie besser zu verstehen, äußert sie ohne zu zögern: Lob des Schattens. Dieser vielfach beachtete Essay des japanischen Schriftstellers Tanizaki Jun’ichirō aus dem Jahr 1933 führt anhand unterschiedlicher subjektiver Beobachtungen in die japanische Ästhetik ein. Dabei sind seine Gedanken und Ausführungen, speziell zu Themen wie Licht, Materialbeschaffenheit und der damit verbundenen Wärme, interessant für die Auseinandersetzung mit dem Schaffen von Leiko Ikemura.

Mit der Ausstellung würdigt die Kunsthalle Emden eine große zeitgenössische Kunstschaffende, die es wie kaum eine andere Künstlerin versteht, unterschiedliche Kulturkreise in ihrer Arbeit zu vereinen. Gleichzeitig bearbeitet sie mit einer originären Bildsprache auf poetische Art und Weise die großen Themen unserer Zeit wie das Mensch-Tier-Verhältnis oder den Umgang des Menschen mit der Natur. Es sind keine mahnenden Gesten, kein moralischer Fingerzeig, mit dem Leiko Ikemura hier vorgeht, sondern Gegenentwürfe zu unserer hektischen, konsumorientierten Welt. Der Titel der Ausstellung Floating Spheres ist dem Werk der Künstlerin entsprechend offen und fluide angelegt. Die »schwebenden Sphären« stehen für vieles, was das Werk und die Biografie der Künstlerin berührt: Sie stehen für die Sphären Asien und Europa ebenso wie für die unterschiedlichen Medien, die sich in ihrem Schaffen gegenseitig befruchten. Floating Spheres, das sind auch die Motivkreise und künstlerischen Ideen, die sich über Jahrzehnte in Variationen immer wieder unbewusst an die Oberfläche drücken und materialisieren.

(…)

Leiko Ikemura. Von der kosmischen Verschmelzung bis zur absoluten Transzendenz (Auszug)

Lisa Felicitas Mattheis, wiss. Direktorin der Kunsthalle Emden

Einer der Urkonflikte des Menschen ist dessen Verortung in der Welt: die große Frage nach dem »Ich« im Verhältnis zum »Wir« und die Frage nach dem »Wir« im Verhältnis zur Umwelt. Die Suche nach Antworten auf diese Fragen ist seit jeher Ursprung und Antrieb von Philosophie, Religion, Wissenschaft und Kultur. Es ist ein Allgemeinplatz, dass sich dieser Konflikt im Anthropozän noch weiter verhärtet. Was ist der Mensch geworden in einer Welt, die immer weiter wächst und zugleich zersplittert? Wohin treiben wir, wenn Fortschritt und Zerstörung Hand in Hand gehen? Wie lange wird die Erde das Erbe unserer Gier noch tragen, bevor sie sich endgültig in Stille hüllt? Wer hört den Schrei der Natur, während uns die Lichter des Konsums blenden?

Leiko Ikemura zählt zu jenen Künstlerinnen, deren Werk es vermag, eine Antwort auf diese drängenden Fragen zu geben – auch wenn die Künstlerin mit ihren Arbeiten keine konkrete Handlungsanweisung für uns bereithält. Ihre Bildwelten sind ein subjektiver, poetischer, sinnlicher Gegenentwurf zur steten Entfremdung seit der Moderne. Es sind Einladungen zum Eintauchen in eine Welt, in der die vermeintliche Gewissheit der Gesetzmäßigkeiten unserer Realität in Frage gestellt wird. Hier werden Licht und Schatten nicht als große Antagonisten gedacht, sondern wird das »Dazwischen« gesucht. Hier sind Gut und Böse keine starren Größen, sondern in stetem Wandel begriffen. Hier ist die Dichotomie von Mensch und Tier aufgehoben, ebenso die gelebte Hierarchie zwischen Mensch und Natur. Diese Welt präsentiert sich als umfassende Einheit, in der alles miteinander verknüpft ist, als seien die Grenzen zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv nicht existent. Dieser Vorstellung des kosmischen Ganzen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass alles eins ist und dass in der Verbundenheit aller Dinge der wahre Kern der Realität verborgen ist – eine ewige Harmonie, die im Wandel ruht.

Gedichte von Leiko Ikemura

Alles, was mein Körper
erinnert, ist älter als
jede Art von Gedächtnis
Und meine Hände sind
Archäologen

Die mit Bäumen tanzt
aber wie schön
die Frau des Feuers

Träume verschlingend
begib dich auf Reisen
finde deine Seele
gib ihr Farbe
um Götter zu wecken

Erfrag nicht mein Alter
ich bin tausendjährig

Horizontsüchtig
bin ich geworden
seitdem ich meine
Heimat verlassen habe

Lass deine Augen offen
um blind zu werden
Denn nur Blinde sehen  

meine Bilder
weil sie das Licht spüren das
einzig Liebe ist

Katalog

Leiko Ikemura erscheint im Hirmer Verlag. Mit Texten von Lisa Felicitas Mattheis und Dr. Nils Ohlsen. Hardcover, zweisprachig Deutsch/ Englisch, 208 Seiten, 120 Farbabbildungen. Preis an der Museumskasse 27,90 €, 30 % Rabatt für Freunde der Kunsthalle.

Zur Buchveröffentlichung findet ein Artist Talk mit Leiko Ikemura statt. Weitere Informationen unter kunsthalle-emden.de

Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung

Japanische Märchen für Kinder

Lesungen in der Tiffany-Lounge
SO, 01.12.2024, 11.15 Uhr
SO, 08.12.2024, 11.15 Uhr
SO, 15.12.2024, 11.15 Uhr

Die japanische Kultur ist reich an alten Volksmärchen und Sagen, die es zu entdecken gilt. An drei Sonntagen im Dezember werden jeweils um 11.15 Uhr japanische Erzählungen für Kinder vorgelesen. Dauer ca. 45 – 60 Min. Die Lesungen sind im Eintritt enthalten.  

Kunstbaden mit Marie-Christine Raddatz

DO, 09.01.2025, 18 Uhr in den Ausstellungsräumen

Beim gemeinsamen Kunstbaden werden die Werke von Leiko Ikemura auf eine achtsame und meditative Weise erfahrbar.  Teilnahme 5 €, ermäßigt 3 €, für Freunde der Kunsthalle frei

Was ist Wabi-Sabi, und wozu ist es gut?

Vortrag von Anna Katharina Sanner  

SO, 19.01.2025, 14 Uhr im Atrium

Anna Sanner nimmt das Publikum mit auf eine sinnliche Geistesreise durch eine japanische Tradition der Ästhetik, die in ihrem Ursprungsland als »schwer zu erklären« gilt. Wabi-Sabi, verrät sie, ist eine traditionelle japanische Sichtweise der Schönheit, durch die man die Welt neu entdecken kann.  

Teilnahme im Eintritt enthalten

Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Kunstlese mit Marie-Christine Raddatz  

SA, 22.02.2025, 15 Uhr in der Ausstellung (Treffpunkt: Foyer)

Kunst trifft Literatur: Ikemura schafft in ihren Arbeiten eine Bildwelt voller Andeutungen, Unvollständigkeiten und kreatürlicher Wesen – ähnlich wie Murakami, der in seinem Roman leise zwischenmenschliche Abgründe und emotionale Tiefe erkundet.  

Im Gegenlesen von Kunst und Literatur setzen wir uns mit dem Unausgesprochenen und Unsichtbaren auseinander. Das Buch wird im Shop verkauft. Teilnahme im Eintritt enthalten

»Ihre besondere Aufmerksamkeit aber galt einem hohen Kastanienbaum mit breiter Krone…«

Japanische Märchen-Lesung für Erwachsene mit Sabine Lutkat in der Ausstellung

DO, 13.02.2025, 18 – 19.30 Uhr in der Ausstellung

An diesem besonderen Abend liest Sabine Lutkat umgeben von den fantastischen Arbeiten von Leiko Ikemura japanische Märchen für Erwachsene. Teilnahme 5 €, ermäßigt 3 €, für Freunde der Kunsthalle frei

Mackintoshs Atem. Die Geschichte des schottischen Ausnahmekünstlers Charles Rennie Mackintosh

Roman-Lesung mit Autorin Karen Grol

DO, 13.03.2025, 18 Uhr im Atrium

Als wichtiger Vertreter der Arts and Crafts Bewegung war Charles Rennie Mackintosh (1868-1928) wie andere Künstler der Zeit beeinflusst vom Japonismus – also dem Einfluss japanischer Kunst auf die westliche Kunstproduktion. Karen Grol liest aus ihrem biografischen Roman und gibt Einblicke in das Leben des Ausnahmekünstlers. An der Bar werden japanische Whiskys angeboten.

Teilnahme 5 €, ermäßigt 3 €, für Freunde der Kunsthalle e.V. frei

Wenn totes Holz Blüten treibt: Wort, Schrift und Bild im japanischen Zen-Buddhismus.

Vortrag von Prof. Dr. Steffen Döll, Numata Professor für Japanischen Buddhismus an der Universität Hamburg

Do, 03.04.2025, 20 Uhr im Atrium

Dass der Zen-Buddhismus einerseits eine nicht an Sprache und Zeichen gebundene Wahrheitserkenntnis beansprucht, andererseits ein reichhaltiges Korpus an Texten, Gedichten, Malereien, Objekten und Architekturen hinterlassen hat, ist vielfach beobachtet worden. Gleichzeitig ist festzustellen, dass diese inhärente Widersprüch-lichkeit nicht erst heute diskutiert wird, sondern dass sich Vertreterinnen und Vertreter der zen-buddhistischen Tradition durch die Geschichte hindurch immer wieder um deren Vermittlung bemühten (und bemühen). Anliegen des Vortrags ist es, zu untersuchen, wie sich derlei Prozesse in konkreten Werken niederschlagen. Teilnahme im Eintritt enthalten

Langer Kunstabend – Eintritt frei

Jeder 1. Dienstag/Monat, 17 bis 21 Uhr

18 Uhr Führung durch die aktuelle Ausstellung, Anmeldung empfohlen

19 Uhr Talk im Atrium mit wechselnden Gästen unter dem Titel »Auf ein Bier mit…«. Direktorin Lisa Felicitas Mattheis lädt Gäste aus der Region ein, um in außergewöhnlichem Ambiente locker über unterschiedlichste Themen ins Gespräch zu kommen. Das Publikum ist dabei stets aufgefordert, mitzudiskutieren. Getränke an der Junge Freunde Bar.

Der Eintritt und die Teilnahme an der Führung und am Talk sind frei, ermöglicht durch die Aloys Wobben Stiftung. Der kostenfreie Kunstabend ermöglicht den Einwohnerinnen und Einwohnern der Region aus allen gesellschaftlichen Lebenswelten die kulturelle Teilhabe durch das zwanglose Kennenlernen und Erleben hochkarätiger Angebote in entspannter Atmosphäre.  

Förderung und Sponsoring

Der Katalog wird gefördert von

  • Freunde der Kunsthalle e.V.

Die Ausstellung wird gefördert von

  • OLG-Stiftung
  • Stiftung Niedersachen
  • EWE Stiftung

Die Kunsthalle wird gefördert von

  • Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft und Kultur
  • Stadt Emden

Weitere Förderer

  • Landkreis Aurich
  • Landkreis Leer
  • Landkreis Wittmund
  • Stadtwerke Emden
  • VW Werk Emden
  • Kulturpartner
  • NDR kultur

Allgemeine Informationen zum Ausstellungsbesuch

FÜHRUNGEN

Informationen und Buchung von individuellen bzw. Gruppen-Führungen:
Tel: +49 (0) 49 21 – 97 50 70  

Öffentliche Führung an jedem Sonntag um 11.30 Uhr, Anmeldung vorab an der Museumskasse sowie im Online-Ticket-Shop der Kunsthalle (Website).

Weitere Veranstaltungen, Kunst aktiv-Workshops und -Angebote im Online-Kalender auf www.kunsthalle-emden.de.

Mit dem Smartphone die Ausstellung besuchen:

Vertiefende Informationen zu einzelnen Werken sowie Künstlerinnen und Künstlern werden in dem begleitenden kostenfreien Audioguide zur Verfügung gestellt (Deutsch). Dieser kann in der Ausstellung über das eigene Smartphone bzw. ein Leihgerät (Museumskasse) abgerufen werden. Das Mitbringen eigener Kopfhörer wird empfohlen.

Das Fotografieren für private Zwecke in der Ausstellung ist erlaubt (ohne Blitz, Stativ oder Selfiestick). Hinweis: Eine Veröffentlichung unterliegt den urheberechtlichen Regularien. Siehe auch die Hausordnung der Kunsthalle.

Öffnungszeiten / Feiertage

Sa, So, Feiertage 11-17 Uhr, Di bis Fr 10-17 Uhr, Mo sowie am 23., 24., 25. Und 31.12.2024 geschlossen.  
An jedem ersten Dienstag/ Monat 10 bis 21 Uhr geöffnet (Kunstabend s.o.).

Eintrittspreise

Erwachsene 10 €, ermäßigt 7 €, Gruppen ab 10 Personen 8 € pro Person, Kinder/Jugendliche unter 18 J. frei.

Online-Tickets für den Eintritt und für regelmäßige Führungen (z.B. Kunstabend) sind im Ticketshop auf der Website verfügbar.

Bildnachweis: Leiko Ikemura, Girl with a Baby, 2021 (c) Leiko Ikemura und VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Foto: Jörg von Bruchhausen


Kunsthalle Emden
Hinter dem Rahmen 13
26721 Emden
www.kunsthalle-emden.de

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