Die Verleihung der Kölner Tanz- und Theaterpreise fand in diesem Jahr coronabedingt als Livestream im Internet statt.

Trotz des anderen Formats – wie immer durfte bei der Theaterpreisverleihung mitgefiebert werden: Bis auf den Kölner Ehrentheaterpreis, den in diesem Jahr die Choreographin Gerda König erhielt, bleiben alle Gewinner bis zur Verkündigung geheim. Der Stiftung und den Preisgeldgebern war es wichtig, auch in 2020 die freie Kölner Theaterszene für ihre geleistete Arbeit auszuzeichnen: Trotz der deutlich verkürzten Spielzeit – bedingt durch die mit dem Lockdown über viele Wochen verbundenen Schließungen von Theatern und Veranstaltungsräumen – hatten die Jurys Stücke in hoher Qualität und in einer eindrucksvollen inhaltlichen Spannbreite gesichtet: Insgesamt 69 Neuproduktionen aus den Sparten Theater, Kinder- und Jugendtheater sowie Tanz wurden gesichtet, wovon 24 eine Nominierung erhielten. Wie im vergangenen Jahr wurden Preisgelder in einer Gesamthöhe von 33.600 € ausgeschüttet.

 

Kölner Theaterpreis
dotiert mit 10.000 Euro, gestiftet von der Sparkasse KölnBonn, dem Kulturamt der Stadt Köln und Prof. Hon. Dr. med. Manuel Cornely

Jury: Dr. Winfried Gellner, Norbert Raffelsiefen und Ulrike Westhoff:

IS deutsche Räuber im Dschihad“, frei nach Schiller, Produktion: WEHR51 in Koproduktion mit sankt gertrud: kirche + kultur und Freihandelszone, Regie: Andrea Bleikamp, Dramaturgie: Rosi Ulrich, in St. Gertrud.

„Für die Jury des Theaterpreises war neben der hohen inhaltlichen Relevanz des Stückes auch die herausragende Umsetzung der Thematik ausschlaggebend. Durch die Wucht der Ereignisse und das eindringliche Spiel von Asta Nechajute, Lucia Schulz und Fabian Kuhn sowie den raumgreifenden Choreographien der Tänzerin Katherina Sim werden wir auf einer ganz persönlichen Ebene in das faszinierende Bühnengeschehen miteinbezogen. Ein geeigneteres Theaterstück – nicht nur – für Jugendliche aller Religionen und Weltanschauungen ist momentan kaum vorstellbar.“
Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Norbert Raffelsiefen

Bildnachweis: „IS deutsche Räuber im Dschihad”, Foto: © Alessandro De Matteis

 

Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis
dotiert mit 5.000 Euro, bereit gestellt von der GAG Immobilien AG
Jury: Christian Bos, Thomas Linden und die neue Jurorin Bianca Lenhard

HIERONYMUS“ nach dem Bilderbuch von Thé Tjong-King, Koproduktion: pulk fiktion, Theater an der Ruhr, FFT und FWT, Konzept: pulk fiktion, Inszenierung: Hannah Biedermann, im Freien Werkstatt Theater e.V.

„Obwohl sich die Inszenierung in gemächlichem Tempo entfaltet, vermag sie in jedem Moment mit neuen Ideen zu überraschen. Ist das noch Theater oder schon Performance, wenn sich die Bilderbuchwelt des großen Thé Tjong-Khing in Film, optische Effekte, Tanz, Musik, Kostüme und Geräusche verdichtet? Jedenfalls zeigt uns pulk fiktion wozu das Theater alles in der Lage ist. Keine schlechte Lehrstunde in Zeiten, in denen die Künste – ob sie wollen oder nicht – ihre Relevanz innerhalb des gesellschaftlichen Lebens wieder unter Beweis stellen müssen.“
Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Thomas Linden

 

Kölner Tanztheaterpreis
Preisgeld 5.000 Euro – gestiftet von der TÜV Rheinland Stiftung
Jury: Thomas Linden, Melanie Suchy und erstmalig Dr. Ruth Prangen

Das eXXperiment, Produktion: XX-TanzTheater in Kooperation mit Theater der Keller, Konzept/Choreographie/Ausstattung: Bibiana Jimenez, in der Tanzfaktur

„Mit diesem emotional und intellektuell berührenden Duett für eine schwarz und eine hell gekleidete Tänzerin, für zwei, die sich unähnlich sind, doch die gleichen Sachen machen, widmet sich die Kölner Choreografin und Tänzerin Bibiana Jiménez der Malerin Marta Hegemann. […] Mit eingesprochenen Texten von Marta Hegemann oder auch von T.S. Eliot, mit einer geschickten Musikauswahl mit Anklängen an die 1920er-Jahre, mit den Tänzerinnen Daniela Riebesam und Florencia Martina hakt Bibiana Jimenez hier keine Biographie nach Jahren ab, sondern entwickelt die Szenerie einer zunehmenden Bedrückung. Und des Aufbegehrens. Nie wirkt dies, durch die Folie betrachtet, wie ferne Historie. Sondern seine Lebendigkeit und Dringlichkeit rückt es uns, dem Publikum, nah.“
Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Melanie Suchy

 

Kölner Darstellerpreis
Preisgeld: 3.500 €, bereitgestellt von der Sparkasse KölnBonn
Die Preisträgerin wurde ermittelt von allen Jurymitgliedern der durch die SK Stiftung Kultur ausgelobten Kölner Tanz- und Theaterpreise:
Preisträgerin: Juliane Ledwoch für ihre Rolle als Frida Kahlo im gleichnamigen Stück „Frida Kahlo – Erinnerung an eine offene Wunde“ im Theater Tiefrot.

„Ein Höhepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen war die diesjährige Aufführung von ‚Frida Kahlo – Erinnerung an eine offene Wunde‘ im Theater Tiefrot. Die Textcollage dieses Theaterstücks erzählt die außergewöhnliche Lebens- und Leidensgeschichte von Frida Kahlo, die in ihren Briefen und Tagebucheintragungen dabei selbst zu Wort kommt. Juliane Ledwoch hat diese Produktion im Alleingang realisiert. Sie spielt nicht nur Frida Kahlo, sondern hat auch den Text erstellt, führt Regie, hat die Kostüme entworfen und die Musikpassagen ausgewählt. In der Kritik heißt es: „Mit Leib und Seele Frida Kahlo – Juliane Ledwoch glänzt in der Rolle der mexikanischen Malerin“. Hier zeigte sich noch einmal, dass der Darsteller-Theaterpreis für diese großartige Schauspielerin längst überfällig ist.“
Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Winfried Gellner

 

Kölner Ehrentheaterpreis
dotiert mit 2.600 Euro — Stifter: NetCologne GmbH
Jury aus den bisherigen Ehrentheaterpreisträgern
Preisträgerin: Gerda König

„Mit dem Kölner Ehrentheaterpreis 2020 wird heute Gerda König, eine besondere Frau und außergewöhnliche Künstlerin, geehrt. […] Mit ihrer künstlerischen Arbeit hat sie Maßstäbe gesetzt, Körpernormen und Ästhetik im Tanz neu zu betrachten und zu definieren. Körper in ihrer Spezifik zu akzeptieren, jenseits gängiger ästhetischer Normen, ist für sie und ihre Kompanie eine Selbstverständlichkeit. Sie fordert Seh- und Denkgewohnheiten heraus, indem sie die unterschiedlichsten körperlichen Einschränkungen und Handycaps als Erweiterung des Tanzvokabulars in die künstlerische Arbeit einbezieht. Es geht ihr um Diversität in aller Konsequenz, um die Einzigartigkeit jedes Menschen, jedes Körpers. Ihre ästhetische Forderung an die Kunst strapaziert und provoziert herkömmliche Grenzen, deckt Tabus auf und hat somit gleichzeitig eine gesellschaftliche wie auch eine politische Dimension.“

Auszug aus der Laudatio der Ehrentheaterpreisträgerin 2001 Angie Hiesl

 

Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater
dotiert mit 5000 Euro, ausgelobt von der Freien Volksbühne Köln e.V., neuer Stifter: AVG Ressourcen, Jury: Dr. Sandra Nuy, Mia Maria Helmis, Dirk Fröse und Jan Stangier

Der Preis wird in diesem Jahr geteilt:

Geister ungesehen – Ein deutsches Trauma“, eine Koproduktion von ANALOG Theater und studiobühneköln, Regie: Daniel Schüßler, in der studiobühneköln 

1934 – Stimmen“ Produktion: Futur3 freies Theaterkollektiv in Zusammenarbeit mit Freihandelszone – Ensemblenetzwerk Köln, Regie: André Erlen im NS-Dokumentationszentrum

„Die Jury des Kurt-Hackenberg-Preises für politisches Theater sah sich am Ende zwei Produktionen gegenüber, die sich auf höchst unterschiedliche Weise und auf gleichermaßen hohem Niveau annähern an den Aufstieg und Fall des sogenannten Dritten Reiches, das mit seiner Kernschmelze zwei neue deutsche Staaten erzeugt hat, die inzwischen wieder vereinigt, aber nicht wirklich eins geworden sind: ‚1934 – Stimmen‘ von Futur3 und ‚Geister ungesehen‘ vom Analog Theater. Die beide die so nicht mehr vermutete Nähe dieser Vergangenheit beschwören und damit Fragen an uns stellen. […] Die Jury hat den Preis […] Futur3 und Analog-Theater zusammen, das heißt zu gleichen Teilen zugesprochen. Eine Verneigung vor den Fremdenführern ins nicht vergehen Wollende.“
Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Dirk Fröse

 

„Puck“ – Nachwuchspreis für junge Schauspielerinnen oder Schauspieler 2020
dotiert mit 2.500 Euro, ausgelobt von der Theatergemeinde Köln, bereitgestellt von der RheinEnergie AG

Jury unter dem Vorsitz von Dr. Bernhard Paffrath:

Kaja Hansen

„Der Preis geht dieses Jahr an Kaja Hansen, weil sie in dem Lausund-Monolog eine überzeugende und spannende Mischung aus Komik und Beklemmung erzeugte. Als Gräfin Orsina war sie in der Lage, eine ganz andere Persönlichkeit in einer sehr überschaubaren Szene sichtbar werden zu lassen. Sie überzeugte uns durch ihre Fähigkeit, besonders durch zarte Schattierungen und leise Töne ihres Spiels zu fesseln. Wir würden uns freuen, sie in weiteren Rollen in Köln sehen zu können.“
Auszug aus Laudatio der Jury des „Puck 2020“

Moderiert wurde der Abend von Prof. Hans-Georg Bögner, Geschäftsführer der SK Stiftung Kultur und Initiator der Kölner Tanz- und Theaterpreise, und der Schauspielerin Aischa-Lina Löbbert, die bereits in 2019 zusammen durch die Preisverleihung geführt hatten.

Seit 1990 ist es Tradition, dass die besten Produktionen der freien Kölner Tanz- und Theaterszene des zurückliegenden Jahres am ersten Montagabend im Dezember im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Mediapark ausgezeichnet werden. 2020 war alles anders: Aufgrund der Corona-Pandemie konnte diese öffentliche Traditionsveranstaltung – zweifellos einer der Höhepunkte der Kölner Theater- und Tanzszene des Jahres – nach drei Jahrzehnten zum ersten Mal nicht im gewohnten Rahmen stattfinden. Aufgrund der derzeit gültigen Kontaktbeschränkungen fiel die Entscheidung für eine Liveübertragung der Bekanntgabe der Preisträger*innen im Internet ohne Publikum.

 

Weitere Presseinformationen unter Tel.: 0221/888 95 105, E-Mail: pr@sk-kultur.de

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