25. September 2022 bis 8. Januar 2023
HALLE FÜR KUNST Steiermark


Eröffnung: 24.9.2022, 18:00–21:00 Uhr

Jordan Belson, Harm van den Dorpel, Storm de Hirsch, Antonia De La Luz Kašik, Richard Kriesche, Paul Laffoley, Irina Lotarevich, Lee Scratch Perry, Marta Riniker-Radich

Die großangelegte Gruppenausstellung Systems of Belief vereint künstlerische Positionen, die sich mit alternativen Glaubenssystemen auseinandersetzen. In einer Welt, in der politische wie ökologische Ausnahmezustände den Alltag bestimmen, werden Konstanten des gesellschaftlichen Lebens wie Wissenschaft, Wirtschaft und Politik innerhalb von öffentlichen Debatten vermehrt auf den Prüfstand gestellt. Als Individuen, als Gesellschaft und als gesamtes Ökosystem stehen wir derzeit vor großen Herausforderungen. Herausfordernd, ja sogar überwältigend ist oftmals auch die subjektive Verarbeitung des komplexen Weltgeschehens, die durch unterschiedliche Informationsströme auf uns wirkt und unsere Sicht der Gegenwart prägt.

Im Parallelprogramm des steirischen herbst 2022

Die großangelegte Gruppenausstellung Systems of Belief vereint künstlerische Positionen, die sich mit alternativen Glaubenssystemen auseinandersetzen. In einer Welt, in der politische wie ökologische Ausnahmezustände den Alltag bestimmen, werden Konstanten des gesellschaftlichen Lebens wie Wissenschaft, Wirtschaft und Politik innerhalb von öffentlichen Debatten vermehrt auf den Prüfstand gestellt. Als Individuen, als Gesellschaft und als gesamtes Ökosystem stehen wir derzeit vor großen Herausforderungen. Herausfordernd, ja sogar überwältigend ist oftmals auch die subjektive Verarbeitung des komplexen Weltgeschehens, die durch unterschiedliche Informationsströme auf uns wirkt und unsere Sicht der Gegenwart prägt.

Technologie wird in unserem Alltag im Allgemeinen und ebenso im Kontext der Ausstellung immer mehr zu einem Mittler zwischen einer faktischen Außenwelt und ihrer Wahrnehmung und Verarbeitung. Sie beeinflusst nicht nur wie und was wir auf unseren Computer- und Handydisplays sehen, sondern auch unser Wesen und unserer Verfasstheit. Mit fast grenzenloser Kraft scheinen oftmals anonymisierte und algorithmisierte Kommunikationsquellen auf unsere Wahrnehmung einzuwirken. Ihre technologischen und digitalen Strukturen und Systeme sind Ausdrucksformen technokratischer Mechanismen, die unsere Öffentlichkeit prägen: Evidenzbasierte Informations- und Analysetechniken, akkurate Organisationspläne und reibungslose Prozesse treiben unsere politischen und gesellschaftlichen Apparate an, die kaum greifbar, aber allgegenwärtig sind. In dieser entpersonalisierten und geradezu metaphysischen Sphäre technologischer Vorgänge erscheint jede Form des irrationalen Handelns innerhalb jener Apparate zunehmend unmöglich. Die Ausstellung Systems of Belief nimmt diesen vermeintlichen Raum des Unmöglichen zum Ausgang und versucht durch die Perspektiven unterschiedlicher Künstler*innengenerationen in Welten vorzudringen, in denen Technologie nicht zum Zwecke konformistischer Regularien verwendet, sondern zur Erzeugung von Unordnung Ausdruck unorthodoxer Dogmen und spiritueller Selbsterkenntnis bzw. Selbstverwirklichung wird. 

Systems of Belief begreift Technologie als System von automatisierten Prozessen und Mechanismen, die in gegenseitiger Abhängigkeit Lösungen für Probleme schaffen sollen. Diese Bedeutung des Begriffs ist wie oben beschrieben in einer technokratischen Gesellschaft zu ihrer vollkommenen Entfaltung gekommen. Weniger als Netzwerk gedacht meint Technologie aber auch die Entwicklung unterschiedlicher Werkzeuge zur Gestaltung verschiedener Produktions- und Gestaltungsverfahren. Die Ausstellung vereint einerseits Positionen, die ihre in Auseinandersetzung mit der Logik und Ästhetik von Wissens- und Bedeutungssystemen – wie beispielsweise in Diagrammen, kartographischen Schemata aber auch religiösen Schaubildern – eigenen transdisziplinären Welten schaffen. Andererseits werden Arbeiten gezeigt, die zur Zeit ihrer Entstehung auf neue technologische Verfahren und Erzeugnisse zugreifen. So machen es beispielsweise analoge Animationstechniken oder Super8-Filmkameras möglich mit Farb- und Lichteffekten zu arbeiten, die ein erweitertes visuelles Spektrum ermöglichen, welches die Darstellung einer physischen oder psychologischen Transzendenz ermöglicht.

Ausgehend von den Arbeiten des experimentellen Filmemachers Jordan Belson (1926−2011), des Künstlers und Architekten Paul Laffoley (1935−2015), der Poetin und Underground Filmemacherin Storm de Hirsch (1912−2000), und des Musikers und Künstlers Lee Scratch Perry (1936−2021) blickt Systems of Belief auf Kunstschaffende, die ihre Praktiken unter den Vorzeichen unterschiedlicher Herkünfte und gesellschaftlicher Prägungen entwickelten. So ungleich ihre Werke erscheinen vereint sie doch ihr transdisziplinärer und autodidaktischer Zugang zur Kunstproduktion als auch ihr Wirken in subkulturellen Kontexten, die nur sporadisch an etablierte Strömungen angedockt waren. So galt beispielsweise Laffoley, der unter anderem mit Andy Warhol und Friedrich Kiesler in Kontakt stand, Zeit seines Lebens fast ausschließlich als ​“Outsider-Artist”. Die Filmemacherin Storm de Hirsch gilt als eine der Schlüsselfiguren der New Yorker Avantgarde Szene der 1960er-Jahre. Am Anfang der 1960er Jahre drehte sie ihren ersten Film und wurde bald in der New Yorker Underground-Filmbewegung aktiv, wo sie mit Filmemacher*innen wie Stan Brakhage, Jonas Mekas, Shirley Clarke und anderen zusammenarbeitete. Der im letzten Jahr verstorbene jamaikanische Musiker und Künstler Lee Scratch Perry ist vor allem als Plattenproduzent und Sänger bekannt. Ab den 1990er-Jahren wurde er auch für seine visuelle Praxis bekannt, die wie seine Musik aus dem ​“Sampeln” und Verweben seine Wirkung bezieht. Seine Installationen umfassen alles von Gemälden bis hin zu religiösen Objekten, Kleidung und einer ganzen Reihe anderer Dinge, die oft mit dem Panafrikanismus und der Rastafari-Religion in Verbindung gebracht werden.

Im Dialog mit diesen künstlerischen Positionen zeigt die Ausstellung u.a. auch Arbeiten der Grazer Kunstschaffenden Richard Kriesche und Antonia De La Luz Kašik. Kriesche gilt als österreichischer Pionier der Medienkunst. In seiner Arbeit befasst sich der Künstler mit den tiefgreifenden Veränderungen der Computerisierung und Digitalisierung. Die oftmals schwer zu greifenden Räume, die durch jene Technologien entstehen, werden in seiner Arbeit zum Ausgangspunkt um gedankliche Räume zu entwicklen, die sich mit Kommunikation und Informationen auseinandersetzen. Dabei tragen seine Werke oftmals utopische Züge in sich, in dem sie die Grenzen von Logik und Konvention überschreiten um visionäre Ideen entfalten zu können. Kašik zeigt eine Neuproduktion, die im Zuge der Panther Residency entstand, einem Förderstipendium für eine junge lokale Position. In der Arbeit der Filmemacherin spielt die Kamera als Apparat eine zentrale Rolle. Durch sie werden verschiedene Bildwelten miteinander verbunden oder ineinander gerückt. Dafür lotet sie technische Möglichkeiten von analoger Kamera und Filmmaterial aus. Anknüpfend an bestehende Arbeiten entwickelt die Künstlerin für die Teilnahme an der Ausstellung einen neuen Film, der sich an den Grenzen des Mediums bewegt.

Abseits dieser Beobachtungen stellt die Ausstellung selbst auch eine Reflexion über das System Kunst dar. Die Existenz einiger hier gezeigten Künstler*innen an der Peripherie des etablierten Kunstsystems weist solches selbst als ein von Regeln und Dogmen geformter Apparat aus, der aufgrund von Mechanismen der In- und Exklusion funktioniert.

Arbeiten wie von Storm de Hirsch, Jordan Belson, Antonia De La Luz Kašik, Lee ​„Scratch“ Perry und Harm van den Dorpel zeigen, dass technologische Mittel wie Objektive, Server oder elektronische Synthesizer direkt oder indirekt auf die Kunstproduktion der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart Einfluss haben. Durch die stetige Entwicklung verschiedenster Technologien und Systemen zur Herstellung von Bild und Ton, können beispielsweise sehr schwer fassbare Bewusstseinszustände zum Ausdruck gebracht werden. Die oben genannten Künstler*innen bedienen sich technologischer Mittel nicht um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten, sondern um irrationale und transzendente Erfahrungen, die nicht an den materiellen Wert der Dinge gebunden sind, zum Ausdruck zu bringen.

Künstler*innen wie Paul Laffoley, Marta Riniker-Radich und Irina Lotarevich beschäftigen sich mit der Logik oder ​„Architektur“ von Orten und Mechanismen, die fast einer göttlichen Macht ähnlich auf all unserer Lebensbereiche wie Ökonomie, Lebensraum und Kommunikation Einfluss nehmen. Die akribisch gefertigten Werke Laffoely‘s, die sich auf wissenschaftliche und esoterische Erkenntnisse berufen um Erklärungsmodelle für unsere Existenz und Dasein zu finden, stellen hier ein gutes Beispiel dar. Durch die Perspektive dieser unterschiedlichen künstlerischen Positionen ermöglicht Systems of Belief ein Nachdenken über weltanschauliche oder spirituelle Selbstverwirklichung durch Verwendung und Subversion technologischer Mittel.

Kuratiert von Cathrin Mayer 

Bildnachweis: Lee Scratch Perry, FLOOD SUN, 2020, Collage, Marker und Acryl auf Karton, 60 x 100 cm, Courtesy The Visual Estate of Lee Scratch Perry/​suns.works, Zürich


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